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Uefa darf Anschi Machatschkala Europa-League-Preisgelder nicht auszahlen

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Meistens gelingt es ja der Fußball-Welt, ihre Streitigkeiten intern auszutragen. Nichts fürchtet sie so sehr wie die Einmischung ziviler Gerichte. Nun gibt es rund um den russischen Klub Anschi Machatschkala einen interessanten Fall, den ich für die heutige Ausgabe der SZ aufgeschrieben habe:

Geld ist nun wirklich das letzte, was beim russischen Oligarchen-Projekt Anschi Machatschkala eine Rolle spielt. Jahresgagen in zweistelliger Millionenhöhe sind üblich, Samuel Eto’o gilt mit einem kolportierten Verdienst von 20 Millionen pro annum gar als bestbezahlter Fußballer der Welt – und zum Geburtstag eines Spielers schenkte Klubbesitzer Sulejman Kerimow schon mal einen Bugatti. Da wirkt ein Betrag über 1,6 Millionen Euro vergleichsweise unbedeutend. Und doch ist er der Auslöser einer Affäre, die Anschi schon lange beschäftigt und in der auch Europas Fußball-Verband Uefa schlecht dasteht. Denn die Föderation, die Streitigkeiten im Fußball so gerne allein und abseits der ordentlichen Justiz lösen will, musste sich von zivilen Gerichten vorschreiben lassen, dass sie die Preisgelder für Machatschkala aus der laufenden Europa-League-Saison nicht überweisen darf.

Die Angelegenheit begann im April 2010, als der damals noch nicht von Kerimow geführte Klub und die portugiesische Spieleragentur Onsoccer über den Wechsel des Brasilianers William dos Santos verhandelten – die Agentur hatte die Transferrechte an dem Spieler kurz zuvor von dos Santos’ vormaligem Klub Paços de Ferreira erworben. In einem Hotel nahe München kamen Vertreter der beiden Seiten zusammen und unterzeichneten einen Vertrag, nach dem dos Santos für 1,6 Millionen Euro nach Machatschkala wechseln würde. Kurz darauf kam er nach Russland, blieb allerdings nicht lange dort – nach nur wenigen Tagen flog er nach Lissabon. Was genau vorgefallen war, bleibt unklar.

Obwohl dos Santos nie richtig in Machatschkala angekommen war, pochte Onsoccer auf die Überweisung der vereinbarten Summe. Anschi aber weigerte sich. Daher wandte sich die Agentur an den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne, der ihr im Oktober 2011 Recht gab. Doch Anschi überwies immer noch nicht. Der Klub äußert sich zu der Causa nicht. Zu vernehmen ist, dass die neue Vereinsführung um den Oligarchen Kerimow offenkundig die Haltung vertritt, es sei Sache der alten Bosse, alles zu regeln.

Onsoccer jedenfalls verließ die Ebene der Sportgerichtsbarkeit und wandte sich an ein ordentliches Gericht, das Bezirksgericht in Nyon – und damit kam nun auch die Uefa ins Spiel. Denn das Gericht registrierte, dass sich Anschi für die Europa League der Saison 2012/13 qualifiziert hatte und dort auf ordentliche Einnahmen hoffen durfte. Also entschied man in Nyon am 3. August des vergangenen Jahres, dass die Uefa alle Preisgelder des späteren Achtelfinalisten einfrieren und stattdessen Onsoccer überweisen müsse, bis die Forderungen beglichen seien – inklusive Zinsen und der prozessüblichen Nebengeräusche war die Summe mittlerweile auf drei Millionen Schweizer Franken angewachsen.

Einen solchen Weg über eine dritte Partei zu wählen, um Schulden einzutreiben, ist durchaus üblich. Die Uefa hätte sich im Prinzip als lediglich ausführendes Organ begreifen können. Doch ihr schmeckte es nicht, dass sich da ein ziviles Gericht in eine Fußballfrage einschaltete. In einer Mitteilung an den Klub sowie an den russischen Verband bat ein Uefa-Vertreter um nähere Informationen und wies zugleich auf wichtige Paragraphen des Schweizer Rechts hin. Am Ende des Schreibens heißt es: „Die Uefa ist interessiert, solche Themen innerhalb der Fußball-Familie abzuhandeln.“ Offiziell äußern möchte sich der Verband nicht; er bestätigt allein die gerichtliche Verfügung, „weitere Informationen sind nicht verfügbar“.

Kurioserweise war es dabei ausgerechnet das Reglement des Fußball-Weltverbandes Fifa, das den Fall aus der Fußball-Familie und vor die zivile Gerichtsbarkeit trieb. Denn normalerweise wenden sich Betroffene zur Umsetzung eines Cas-Urteils an den jeweiligen Sportweltverband; das läuft in der Regel kostengünstiger und schneller als bei einem normalen Gericht. Doch im Jahr 2011 hatte die Fifa einen Artikel beschlossen, nach dem die Fifa-Organe nicht für Verfahren der sogenannten O-Kategorie zuständig seien – und die Cas-Angelegenheit zwischen Onsoccer und Anschi Machatschkala war ein ebensolches Verfahren der O-Kategorie.

Nun zieht sich die Angelegenheit in die Länge. Die Berufung von Anschi gegen das Nyoner Urteil wurde jüngst von einer höheren Instanz zurückgewiesen. Machatschkala bleibt noch der Weg vors Bundesgericht.


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